Anfänge

Die Rotgerber arbeiteten ursprünglich im Wörsbachtal und bezogen ihre Häute aus der Landwirtschaft in der Umgebung. Die Eichenlohe (Rinde) zum Gerben lieferten die nahen Wälder. Ein Walddistrikt nahe der Quelle heißt heute noch “Gerloh”, wohl eine Zusammenziehung aus “Ger(ber)loh”. In Lohmühlen wurde die Rinde fein gemahlen. In tiefen Gruben wurde monatelang gegerbt, der beißende Geruch war in der ganzen Stadt bemerkbar.
Die verbrauchte Lohe wurde backsteinförmig gepresst und als “Lohkäse” verkauft. Sie diente zum Feueranmachen.
Es war kein leichter Beruf, bei jedem Wetter am Bachrand oder auf Steinen im Bach zu stehen und Felle auszuwaschen.
Die Bäche wurden giftig durch die Abwässer der Fabriken; Kühe erkrankten durch das Weiden auf Wiesen, die vom Wörsbach überflutet gewesenen waren (In Wörsdorf wurde der Wörsbach wegen seiner Farbe “Schwarzbach” genannt).
Die Felle wurden in luftigen Speichern zum Trocknen aufgehängt. Diese Trockenspeicher hatten stufenförmig zurückweichende breite Schleppgauben. Das heutige “Gerberhaus” ist von diesem Typ.  Das Foto unten zeigt, von diesem aufgenommen, ein auf dem Landauergelände gegenüberliegendes gleicher Art.

Die Löher verdienten damals schon gut, und das Handwerk blühte. Das Lederge- werbe nahm einen großen Aufschwung und genoss um 1800 einen Ruf weit über  die Grenzen der engeren Heimat hinaus.
Jeder Gerbergeselle musste, um Geltung in seinem Beruf zu erlangen, Idstein und dessen Anlagen kennen gelernt haben. In Nassau bestand ein Gesetz, wonach je- der Gerber, der sich selbständig machen wollte, ein Jahr in Idstein als Wanderge- selle gearbeitet haben musste.
Um 1700 kommt die Weißgerberei nach Idstein. Dieses französische Verfahren bediente sich statt der Lohe eines Gemischs von Weizenmehl, Alaun, Eigelb und Salz.
Graf Johannes, der in Straßburg studiert hatte, soll das Verfahren hier eingeführt haben. Man erhält damit ein rein weißes Leder. Die Weißgerber siedelten sich im Wolfsbachtal in der heutigen Weiherwiese an.

Der Weißgerbermeister Johann Jakob Heß (Weiherwiese) wird 1740 erwähnt; der Weißgerbermeister Conrad Casimir Höngen (Hönchen) ist ausweislich der Akten von 1748 -1794 in Idstein. Heß arbeitete im jetzigen Schmied-Michel-Haus (1) an der Ecke kleine Kreuzgasse-Weiherwiese. Die in Klammern stehenden blauen Zahlen beziehen sich auf den Plan unten.
1746 sprach Johann Carl Michelaus Wetzlar bei Weißgerbermeister Johann Jacob Heß aus
Idstein um Arbeit vor. 1750 heiratet Johann Carl Michel bei Heß ein (1. Ehe mit Maria Catharina Heß).
1760 kommt Johannes Michel (jüngerer Halbbruder von J. C.), ebenfalls aus Wetzlar nach Idstein, heiratet ebenfalls in die Familie Heß ein. Johannes erweitert den Betrieb 1784 durch Hinzunahme des “Riesen”, jetzt “Peif” (6). Zwischen 1753 und 1783 entsprangen aus den Ehen der Brüder 24 Kinder, zehn Söhne und 14 Töchter.

Johann Carl *1728 † 1803
J. C. arbeitet ab 1761 im Eckhaus Weiherwiese – Kleine Kreuzgasse (Schmied Michel (1), nahe des Wachthäuschens des (neuen) Weiherwieser Tors).
1769 erwirbt J. C. das Eckhaus auf derselben Seite, jedoch am Unteren Marktplatz (4). Vorbesitzer war Hofkeller Eiffert; das Haus hieß “Zum Grünen Wald”, hatte Hof und Garten und stieß nach hinten an die Kreuzgasse (ex Metzgerei Heß). Der Nachbar an der Weiherwiese hieß Johann Peter Zahn.


oben und rechts die Anwesen (2), oben vor der Freilegung des Fachwerks, rechts mit Sichtfachwerk als Bäckerei und Konditorei Reischmann, jetzt durch einen Neubau ersetzt

Johannes *1734  †1803
Arbeitet zwei Häuser links (2) neben der Lindenborn’schen Apotheke (3). 1774 kam Scheuer und Hof des Nachbarn Schütz dazu.
Es dürften dies das Doppelhaus Wahl / Bäcker Weiß (später: Reischmann) und das Haus Römer, genannt “Zur Rose” gewesen sein (2).

1784 wird der “Riese” (nach Amtmann Ries) in der Himmelsgasse, jetzt “Peif” (6), ersteigert

Die Kinder der Halbbrüder:
Die Söhne der Halbbrüder Johann Carl und Johannes erweitern ebenfalls: Der Betrieb von Höngen kommt durch Einheirat dazu, die vor dem “Weiherwiesertor” gelegene Lohmühle (hinter dem ersten Freibad) vom Rotgerber Carl Hack wird 1814.

links: Eine der Lohmühlen, 1819 (Kreis);

darunter dieselbe Mühle in einer Aufnahme eines U.S. – Aufklärungsflugzeuges von 1945 (Kreis).

Bei beiden Darstellungen ist Norden ungefähr am linken Bildrand.

Johann Carls Kinder
Der Sohn Johann Carls, ebenfalls J. C. gehießen (auch: Johann  Carl IIer oder Carl II , aus 2. Ehe mit der Tochter des Löwenwirts Schäfer, 1795), verkaufte 1806 das Vaterhaus an seine Schwester und zog an den Unteren Marktplatz, in das Haus (5) des Schwiegervaters (Löwenwirt Schäfer), um.
Dieses dreistöckige Haus (mit zwei Scheunen unter einem Dach, Nebenbau, Stall und Hofraum) steht nicht mehr. An seine Stelle ist das sogenannte “Landauersche Haus” getreten, rechts neben der Gaststätte “Zum Tal”.


Im Garten des Schäfer-Michel-Hauses (5) ist ein in die Schiefersteilwand (nach Osten zur  Escher Straße) gesprengter Felsenkeller.
Auf der Türwölbung die Inschrift:” Carl Michel IIer 1808 Maria Christina Michelin geb. Schäferin”. Der Schlussstein hat zwischen der 18 und der 08 ein sechsblättriges Ornament.

Johannes’ Kinder
Nach seinem Tod 1803 bleibt das Anwesen auf der Weiherwiese im Besitz der Witwe, den “Riesen” (6) erhält der Sohn Carl Christoph, der aber dieses Haus 1804 mit dem Haus der Mutter tauscht.
Carl Christoph, in der Familienchronik der Michels auch Carl IIIer genannt, arrondiert das zerstückelte Gelände der mittleren Weiherwiese durch Kauf und Tausch und baut 1804 (an anderer Stelle: 1805) das heute noch erhaltene Haus (3) der Apothekerdynastie Lindenborn rechts neben den alten Gerbereien (2). Dieses Haus ist seit 1835 im Besitz der Familie Lindenborn.
Die Verhältnisse in der mittleren östlichen Weiherwiese bedürfen noch einer Überprüfung.
unten: Das Haus Michel (bis 1835), dann Apotheke Lindenborn (3).

Ca. 1811 geht der Besitz des “Riesen” (6) von der Mutter (Frau von Johannes) an den Sohn Philipp Christian über. Ph. Chr. gilt als der Stammvater der Idsteiner Familie Michel.
Johannes (*1734  †1803) hatte in zweiter Ehe mit Susanna Magdalena Heß elf Kinder, drei Söhne und vier Töchter überlebten. Der Sohn Johann Jacob heiratete 1794 die Tochter des Weißgerbermeisters Hönchen.
Die jüngste Tochter  Luise Wilhelmine heiratet den Saffiangerber Franz Xaver Deninger(1772 – 1849).

Deninger bringt aus Wien türkische Rezepte zur Färbung von Ziegenleder mit (Saffiangerberei).
1799 beginnt Deninger mit seinem Schwager Carl Christoph Michel die Saffianlederfabrikation.
1803 erwirbt er die Menke’sche Hofraite in der Schulgasse (7),
1806 das links daneben liegende Grundstück von J. G. Reinemer.
Über dem Eingang zum Felsenkeller ist die Inschrift erhalten: “Erbaut durch Franz D. und Luisa D. 1810”
1811 geht Deninger nach Mainz, 1817 folgt sein Schwager. Sie gründen “Michel und Deninger”, 1907 liquidiert.
Deninger-Idstein wurde von Landauer übernommen.