Fremde Soldaten


Die Römer
Deren Rolle ist bekannt. Nach neuesten Zeitungsmeldungen (2003) war der Limes nicht militärischer Schutzwall, sondern eher Instrument der Kontrolle von Personen- und Warenfluss.


Nach den Arbeiten des Idsteiner Volksschullehrers und Heimatforschers August Groß (1894 – 1966), dessen Nachlass ich freundlicherweise einsehen durfte, sind Soldaten während folgender militärischer Auseinandersetzungen durch das Gebiet des Amtes Idstein gezogen:

Der Dreißigjährige Krieg 1618 – 1648
Der böhmisch-pfälzische Krieg
Der niedersächsisch-dänische Krieg
1623 – 1630
Der schwedische Krieg 1630 – 1635
Der schwedisch-französische Krieg
1635 – 1648


Der Holländische Krieg 1672 – 1678
Der Pfälzische Krieg 1688 – 1697
Der Spanische Erbfolgekrieg
1701 – 1714
Der Polnisch – Französische Krieg
1733 – 1735
Der Österreichische Erbfolgekrieg
1741 – 1748
Der Siebenjährige Krieg 1756 – 1763
Der 1. Koalitionskrieg 1792 – 1797
Der Feldzug 1813


Der I. Weltkrieg

Der II. Weltkrieg


Kriegerische Völkerbewegungen wie auch der friedlicher Austausch von Handels- gütern und Information haben früher Straßen vorausgesetzt.
Das Amt Idstein erstreckte sich (nach Vogels Karte von) 1843 im Norden bis Niederselters, im Osten bis zu den Ems- dörfern, im Süden bis kurz vor Eppstein und im Westen von Engenhahn bis Wallrabenstein im Wörsbachtal (rechts).
Es gab drei Taunusquerstraßen (= Nord – Süd – Verbindungen) in unserem Gebiet: Die Hünerstraße, die Hohe Straße und die Straße Höchst – Königstein – Glashütten – Esch – Kamberg – Limburg.
In der Karte oben (Ausschnitt von Vogel, 1843) sind die Hünerstraße und die Straße Königstein – Limburg eingezeichnet.
Die Hohe Straße verlief so:
Mainz-Kastel (Alte Mainzer Straße) – Hochheim – Flörsheim – Kastell Heftrich – Höhenrücken Wörsbach/Ems – Berger Kirche – Limburg
Die Alte Idsteinerstraße kam von Wiesbaden, verlief östlich der Platte, war dann Siebenküppelstraße und Alte Poststraße und gabelte  sich dann a) zur Hünerstraße b) zur Hohen Straße ( Richtung Wörsdorf)
Esch nahm eine hervorragende Lage in der Mitte zwischen den Flussübergängen an Lahn und Main ein.

Die einzige uns bekannte Taunuslängsverbindung (O – W), die “Hessenstraße”, ist 1818 noch nicht vorhanden.
Sie zieht von Osten in drei Zweigen (a) Wetzlar – Möttau – Weilmünster; b) Gießen – Lützellinden – Brandoberndorf; c) Lich – Butzbach – Bannholz in das Taunusgebiet ein und verlief dann über Haintchen – Niederselters – Dauborn – Netzbach – Hahnstätten – Katzenelnbogen. – Kastell Holzhausen – Nastätten – Bogel – Übergang St. Goarshausen.

Bevor hier einige Schilderungen aus der Sammlung von Groß auszugsweise wiedergegeben werden, geben wir eine Beschreibung Gustav Freytags über den Stand der Dinge auf dem Land, 1618:

“...Deutschland galt um das Jahr 1618 für ein reiches Land. Selbst der Bauer hatte in dem langen Frieden einige Wohlhäbigkeit erlangt.
Auch die Dörfer waren nicht ganz ohne Schutzwehr-, breiter Graben, Zaun oder Wand von Lehm und Stein umgrenzten oft die Stätte des Dorfes, dann war verboten, Türen durchzubrechen, an den Hauptstraßen hingen Tore, welche zur Nacht geschlossen wurden.
In der Regel war der Kirchhof mit besonderer Mauer geschützt, er bildete mehr als einmal die Zitadelle und letzte Zuflucht der Bewohner. Dorf und Flur wurden durch Nacht- und Tagwächter beschritten.
Die Häuser waren zwar nur von Holz und Lehm in ungefälliger Form, oft in engen Dorfstraßen zusammengedrängt, aber sie waren nicht arm an Hausrat und Behagen.
Schon standen alte Obstbaumpflanzungen um die Dörfer, und viele Quellen ergossen ihr klares Wasser in steinerne Tröge.
Auf den Düngerstätten der eingefriedeten Höfe tummelten sich große Scharen von kleinem Geflügel, auf den Stoppeläckern lagen mächtige Gänseherden, und in den Ställen standen die Gespanne der Pferde weit zahlreicher als jetzt, wahrscheinlich ein großer starkknochiger Schlag, verbauerte Nachkommen der alten Ritterrosse, sie, die stolzeste Freude des Hofbesitzers, daneben die „Klepper“, eine uralte kleine Landrasse.
Große Gemeindeherden von Schafen und Rindern grasten auf den steinigen Höhenzügen und in den fetten Riedgräsern.
…Die Dorfflur lag – wo nicht die altfränkische Flurteilung in lange Bänder sich erhalten hatte – in drei Felder geteilt, deren Hufen viel gespalten und Beet für Beet sorgfältig versteint waren. Der Acker war nicht ohne höhere Kultur.
Ein feinmehliger weißer Weizen wurde in das Winterfeld gesät.
Wald wurde im Norden des Rennstiegs immer noch eifrig und mit großem Vorteil gebaut.
Schon säte man von Futtergewächsen den Spörgel und die Pferdebohne.
Die Wiesen, hochgeschätzt, häufig eingezäunt, wurden sorgfältiger behandelt als zweihundert Jahre später; die Maulwurfshaufen zerwerfen und die Abzugsgräben, ja sogar Bewässerungsgräben ziehen und erhalten, war gewöhnlich.
Im ganzen war, wenn man verschiedene Zeiten miteinander vergleichen darf, die landwirtschaftliche Kultur um 1618 nicht geringer als etwa um 1818.
Es wird sich ergeben, daß auch in anderen Beziehungen erst das 19. Jahrhundert ausgeglichen hat, was seit 1618 verloren wurde. –
Die Lasten, welche auf dem Bauernstand lagen, Servituten und Abgaben, waren nicht gering, am größten auf den adligen Gütern; aber es gab nicht wenig freie Bauerndörfer im Land, und das Regiment der Landesherren war weniger hart als im südlichen Franken oder in Hessen.
Viele geistliche Güter waren zerschlagen worden, viele Domänen und nicht wenige adlige Güter wurden von den Pächtern bewirtschaftet, die Zeitpacht wurde ein beliebtes Mittel, die Bodenrente zu steigern.
Das alles kam dem Bauern zugute.
Freilich der Wildschaden war ein drückendes Leiden, und auf den Gütern des verarmten Adels war von der alten Hörigkeit noch vieles geblieben.
Aber die große Mehrzahl der Landleute war durch die neuen, römisch gebildeten Juristen zu Eigentümern ihrer Güter erklärt worden: wohl der größte Segen, welchen das römische Recht im 16. Jahrhundert den Deutschen gebracht hat.”

Doch nun zu den Kriegsereignissen in unserer Region (nach August Groß):

Niedersächsisch-Dänischer Krieg 1623-1630
..Die Jahre 1625 und 1626 brachten wiederum zahlreiche Durchmärsche und Einlagerungen. Vom Dezember 1625 bis in den Januar 1626 nahm der Obrist Cratz von Scharfenstein in Idstein Quartier. Sein Regiment lag im Städtchen selbst und in den Dörfern der Umgebung:
Ein „Glaubwürdiger Extract deren Kriegsunkosten“ der Compagnien der Rittmeister Cade, Beisigell und Creutzemacher nennt
„In der Embss“ 767 Reichsthaler (RT) an Victualien (= Lebensmittel), vor (= für) Fütterung und an ausgepressten (= erpressten) Geld… Darüber hinaus bekamen die drei Rittmeister des Obristen 3 496 RT an „Wochengeld“ ausbezahlt…
Diese einzige zwanzigtägige Einquartierung kostete das Amt Idstein nicht weniger als 16 512 RT.

Im Frühjahr 1626 nahm der berüchtigte kaiserliche Obrist v. Görzenich in Idstein Quartier, und seinen Mannschaften hausten entsetzlich im Idsteiner Amt.
Durch den Herzog Maximilian v. Sachsen=Lauenburg aus dem Amt Kirberg vertrieben, erschien er im Oktober zum zweitenmal im Idsteiner Land und trieb es ärger denn zuvor. In der Zeit vom 6. bis zum 21. Oktober erpresste er hier fast 14 000 RT, von sonstigen Plünderungen und Gewalttaten ganz zu schweigen. Selbst die Kirchen wurden von seinen Mordbrennern geplündert und verheert.
Der Winter 1626/27 wurde für das Idsteiner Land besonders schlimm. Noch immer war Assenheim in der Wetterau das Hauptquartier des Herzogs v. Sachsen=Lauenburg und seine Einheiten suchten von hier aus die Gegend im weiten Umkreis heim. Vom Oktober 1626 bis in den Mai 1627 lagen sachsen=lauenburgische Einheiten unter dem Grafen Freße in der Herrschaft und verursachten einen Kostenaufwand von nahezu 50 000 RT.
Dazu wütete die Pest in schrecklicher Weise, und allein in Idstein starben von November bis Ende des Jahres 57 Menschen….
Vom April bis in den Juli 1627 hinein wütete Görzenich zum drittenmal im Lande.
Da die Herrschaft die geforderte Kontribution nicht aufzubringen vermochte, wurden beim Abzug einige der angesehendsten Leute der Gegend, unter ihnen der Idsteiner Superintendent M. Tobias Weber, verschleppt, grausam misshandelt und erst in Fulda gegen ein Lösegeld von 5 000 RT freigelassen.

Schwedischer Krieg 1630-1635
…1634 erlitten die Schweden bei Nördlingen eine schwere Niederlage. Die Flucht der schwedischen Einheiten führte über Frankfurt ins östliche Taunusgebiet. Den fliehenden Schweden folgten die Spanier des Kardinalinfanten (Ferdinand v. Mailand) auf dem Fusse. Von der Wetterau her zogen sie über Usingen, Steinfischbach und Kamberg nach Diez. Die Orte, die an der Straße oder in der Nähe lagen, wurden völlig ausgeplündert und teilweise zerstört, die Einwohner unmenschlich misshandelt. Besonders schlimm ging es in Idstein und Walsdorf her, schlimmer noch in Esch.
Nach Kriegsende schrieb der Escher Schultheiss Andreas Ortmann:
Ich underschriebener zur Zeit Gräfflicher Nassauischer Schuldeis zu Esche bezeuge hier mit, das seit deme der Cardinal in Fante dahin under ins Niederland zu gezogen, vnd dess mahls vnser dorff gantz eingeäschert worden, also dass es in in die 15 Jahr von nimantes bewohnet werden können, sehr wenig leutt auch beim leben geplieben, dadurch die Velder ödt vnd wüst liegen plieben…weil die meiste leutt, was nicht an der pestilentz gestorben, vor grossem hunger in frempte Landt endlauffen mussen…”

Schwedisch-Französischer Krieg 1635-1648
(Groß zitiert Khevenhiller, einen Schreiber jener Zeit):

„…dass eine unerträgliche Hungersnot überall herrschte, welche die Soldaten dadurch vermehrten, dass sie unter dem Vorgeben der schuldign Kontribution alle Lebensmittel wegnahmen, und sich der arme Landsmann, der nicht Hungers sterben wollte, nunmehr von Gras, Kraut und Wurzeln, dürren und grünen Laubblättern ohne Brot, Salz und Schmalz ernähren musste. Sie mussten sich auch sättigen von Häuten und Fellen der Tiere, Ochsen, Pferde oder Schafe. Hunde, Katzen, Ratten und andere Tiere wurden gegessen und die, so viele Wochen an den Wegen in Pfühlen und Wassern gelegen und weggeworfen waren.
Um das Pferdefleisch haben sich die Menschen gerupft, geschlagen und gar ermordet. In Summa war eine solche Not, dass auch kein Mensch – so zu sagen – des andern verschont, sondern mit Vorteil totschlugen und verzehrten.
Die Gottesäcker haben sie durchsucht, die Gräber aufgebrochen, die Hochgerichte erstiegen und die Toten zur Speise genommen.
Wie denn das bettlerische Gesind, so hin und wieder in den Winkeln der Stadt auf den offenen Gassen gelegen, mit Strick wohl versehen, welche sie den Vorübergehenden unversehens um die Hälse geworfen und ihnen die Gurgel zugestricket.“


1648 wird in Münster der Friede unterzeichnet. Ein Jahr später ordnet Graf Johannes eine allgemeine Landesvisitation an. Ihre Ergebnisse (aus dem Jahr 1650) sind erschütternd.
Die Zahl der Bürger in den Gebietsteilen Wiesbaden, Idstein und Wehen betrug bei Kriegsbeginn an 3 000. Jetzt ergab die Zählung kaum noch 450, unter diesen waren 60 bis 70 Witwen.
Furchtbar war auch der Rückgang der Bevölkerung in der Obersten Ems….
…Oberrod, Finsternthal, Oberauroff, Eschenhahn, Gassenbach, Lenzhahn, Königshofen und Niedernhausen standen völlig leer.

Jahrzehnte sollte es noch dauern, bis es wieder zu einer “Normalisierung” der Lebensverhältnisse kam.
Neue Konflikte durch Truppenbewegungen in unserem Gebiet hatten alle eines gemeinsam:
Schwerste Belastungen der Bevölke- rung an Leib und Seele, Hab und Gut, egal ob vom Feind oder vom Freund verursacht.

Der Blick auf die Liste der kriegerischen Ereignisse damals (siehe oben) zeigt uns, in welcher Zeit des Friedens (knappe 60 Jahre!) wir heute leben dürfen.

Durch das Amt Idstein (nach Angaben von A. Groß) waren folgende Soldaten von Feind oder Freund gezogen:
(Jahr-Nationalität-Führer; N. N. = keine Angabe)

1620 Spanier, Wallonen-Spinola
1630 Schweden-König Gustav Adolf
1634 Spanier-Ferdinand III
1634, Herbst Schweden, Finnen, Lappen, Irländer, Schotten gegen Kroaten, Kosaken, Polen, Spanier, Walonen
(„und wußte niemand, wer Freund oder Feind war“)-v. Bönninghausen
1640 Franzosen gegen Bayern-Oberst von Rosen
1744 Franzosen, Bayern gegen Österreicher, Holländer-N.N.
1760 Franzosen-Marschall Broglie
(Rizhaub bemerkt, dass im Siebenjährigen Krieg, 1756-1763, jedes Jahr die  Franzosen in Idstein ihr Winterquartier hatten)
1792 Preußen-N. N.
1792 Franzosen-General Custine-Ende Oktober
1792 kaiserliche, preussische, kursächsische Truppen- NN
1795, 25. 9. Franzosen in Idstein-Graf Clerfait

Der Sachschaden läßt sich mit den Worten eines geplagten Escher Schultheißen pointiert so beschreiben:Die Soldaten nahmen entweder alles mit oder aßen es, ausgenommen die Mühlsteine”.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig wurde unser Gebiet noch einmal “vom Mantel der Weltgeschichte berührt”:
Blücher gelang es, in der Neujahrsnacht 1813/14 die napoleonischen Armeen bei Kaub über den Rhein zurückzuschlagen. Das Dorf Kemel wähnte sogar, der Marschall “Vorwärts” habe in seinen Mauern genächtigt, mußte sich aber damit begnügen, dass es “nur” dessen Generalstabschef York von Wartenberg war, der hier schlief.

Im “neuen” Herzogtum Nassau folgten die friedlichen Biedermeierjahre, die aber zugleich die Jahre des “Vormärz” waren, die Jahre vor dem Revolutionsjahr 1848 (siehe auch und auch).

Die Reichsgründung und der Sieg über den “Erzfeind” Frankreich führten zu einem stetig wachsenden Nationalgefühl in Deutschland, dessen bildhauerische Entsprechung das “Germania”-Denkmal in Rüdesheim war.