Die hier vorliegende Abhandlung fußt weitgehend auf Willi Schmalenbachs Schrift:
“ Die Idsteiner Lederindustrie”,
Sozialkundliche Hausarbeit zur Prüfung für das Lehramt an Realschulen, Idstein 1951 (HStA 802, 130).
Ehemalige Gerbereien und Zurichtereien:
Weißgerber in den Häusern Michel; Reichmann und Wahl, Weiherwiese, Rotgerberei bei Glaser Schmitt, Löhergasse und im Felsenkeller, die alte Lohmühle hinter dem Schwimmbad, die Zurichterei Friedrich Pfaff im Knick der oberen Schäfergasse, die Gerbereien Michel in der “Peif” und Schöpp (Schreinerei Hack) in der Grunerstraße und die Hutlederfabrik Hils und Schneider im Haus Feix (rechts und unten), Wiesbadener Straße. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind alle Kleinbetriebe verschwunden.
oben:das Eckhaus Wiesbadener Straße- Ferdinand-Abt-Straße war die Villa des Lederfabrikanten Berninger
unten: Zurichterei Friedrich Pfaff
Nun also Landauer:
Die Firma Landauer=Donner A. G. wurde 1852 gegründet. Donner war ein englischer Geldgeber, der später ausgeschieden ist
Vor dem I. Weltkrieg waren dort etwa 300 Arbeiter beschäftigt; die Firma machte nach dem I. Weltkrieg eine schwere Krise durch, 1924 mußte sogar die Gerberei verkauft werden, danach waren es nur noch ca. 80 Arbeiter.
Landauer stellte in der Hauptsache Hutleder her, die in den verschiedenen Farben den Hutfabriken geliefert wurden.
Adolf Landauer meldete 1956/57 Konkurs an, der Gebäudekomplex wurde 1958 abgerissen (hier geht es zur “Villa Landauer”).
rechts der Komplex der Lederfabrik Landauer auf dem Gelände, das jetzt “Löherplatz” heißt:
oben im Bild die Unionskirche; die Blickrichtung ist Nordosten
siehe auch: Löhergasse
Facharbeiter von Landauer und Donner gründeten eigene Firmen, der Buchhalter von Hils und Schneider machte sich ebenfalls selbständig (siehe Diagramm unten).
Die „Macher“
Theodor und Carl Lückel waren Facharbeiter bei Landauer=Donner, ebenso Friedrich Pfaff und Heinrich Berninger. Philipp Johann (oder Josef ?) Trinkaus war Buchhalter bei Hils und Schneider. Rudolf Mey kam 1923 nach Idstein.
Theodor Lückel:
Gründete 1914 mit dem Geldgeber Fuchs eine Lederfabrik, die kriegsbedingt nie arbeitete; stattdessen sollen dort Holzschuhe hergestellt worden sein. Nach dem Tod von Fuchs sprang Röttger als Finanzier ein, man stellte ab 1918 Boxcalfleder her. Besitzer waren Röttger, Lückel und Knapp. Als Röttger sich zurückzog, nahm die Ehrenbacher Familie Rücker seinen Platz ein, „Lückel und Rücker“ wurde 1925 (1927 ?) gegründet. Standort war die Limburger Straße, am Ortsausgang nach Wörsdorf, rechts (heute Lidl).
oben: Lederfabrik Lückel und Rücker; auf dem linken Bild führt links die Landstraße nach Wörsdorf, die Bäume stehen am Abzweig zum Sportplatz bzw. Lidl; das rechte Bild zeigt die Fabrik vom Süden, der kleine helle Bau steht am heutigen Gerberweg.
Friedrich Pfaff:
Fing 1890 in der oberen Schäfergasse an (am Knick zum Zuckerberg hin). Mit Carl Lückel begann 1894 die Zurichterei (Ausreckerei) für die Frankfurter Firma Sternberger. Lückel verließ 1896 die Firma wieder. Der Betrieb in der Schäfergasse brannte am 18.10. 1900 aus.
Pfaff baute neu in der Limburger Straße an der Einmündung zur Straße „Am Kalkofen“, gegenüber seinem alten Partner Lückel. Der Firmengründer starb 1931. Die Firma wurde weiterbetrie- ben von den zwei Söhnen und dem Schwiegersohn Friedrich Gros.
Ein Sohn fiel im II. Weltkrieg, der andere kam krank aus der Gefangenschaft zurück. Die Fabrikräume wurden an die Firma Mühlstein vermietet. Friedrich Gros sen. baute neu in der Wiesbadener Straße (Ziegelbau vor dem Feuerwehrstützpunkt).
unten: Lederfabrik Pfaff; im Hintergrund der Schornstein von Trinkaus.
Philipp J. Trinkaus:
Der Fabrikant Trinkaus kam aus Triberg im Schwarzwald und war bei Hils und Schneider Buchhalter (siehe C. Lückel). Er erwarb um 1900 die Dammühle (eine Fruchtmühle) vom Idsteiner Stricker. Ein Brand 1908 stoppte den Elan des Gründers nicht; nach dem I. Weltkrieg, 1923, wurde erweitert. Eine Spezialität der Firma Trinkaus und Co. war die betriebseigene Truthahnzucht. Die Tiere waren bei Betriebsfesten in anderem Zustand heißbegehrt und wurden heiß begehrt.
Von 1943-1946 ruhte der Betrieb, da die Fa. DEGUSSA (= DEutsche Gold Und Silber ScheideAnstalt) ihre Buchhaltung und alle Buchungsunterlagen von Frankfurt nach Idstein Frankfurt ausgelagert hatte.
Der verheerende Luftangriff auf Frankfurt am Main am Abend des 22. März führte zum jähen Abbruch der Produktion im Degussa-Werk in der Frankfurter Innenstadt. Das Gebäude der Hauptverwaltung, der heutige Standort in Frankfurt, wurde ebenfalls schwer getroffen. Die über Nacht obdachlos gewordenen Abteilungen kamen zunächst in Wächtersbach sowie innerhalb Frankfurts und in weniger betroffenen auswärtigen Degussa-Standorten unter. Die gesamte Forschung wurde nach Konstanz verlegt. Erst 1949 kam sie wieder zurück.
Der Senior Trinkaus starb, der Junior fiel im II. Weltkrieg. 1946 wurde das Betriebsgelände von Dr. Engels gepachtet.
Carl Lückel:
Nachdem Lückel Pfaff verlassen hatte, baute er Ecke Limburger Straße – Am Kalkofen neu. Die Villa seines Sohns Willi davor (in Richtung Stadt) ist heute noch zu bestaunen, sein eigener repräsentativer Sitz war in der Magdeburgstraße. 1904 tat sich Lückel mit Heinrich Berninger zusammen. Man kaufte die Lederfabrik „Hils und Schneider“ auf (Haus Feix, in der Verbindungsgasse Veitenmühlweg – Wiesbadener Straße). Die beiden trennten sich 1926. Lückel verblieb im Stammhaus an der Ecke, Berninger baute nebenan neu, in der Straße „Am Kalkofen“. Der langgestreckte Ziegelbau bil- det heute einen seltsamen Kontrast zur Hochglanzeinkaufs- fläche gleich nebenandie im Bild unten noch nicht besteht.
Verblichener Glanz rechts: Der Eingang zur ehemaligen Verwaltung der Lederfabrik Lückel
Heinrich Berninger:
Berninger war ursprünglich Hausbursche im Hotel „Zum Goldenen Lamm“, ließ sich dann bei Landauer zum Fach- arbeiter ausbilden und betrieb nebenher einen Flaschenbier- handel.
Nach der Trennung von Lückel wird 1926 „Berninger und Co.“ gegründet.
Berningers Schwiegersöhne hießen Mühlstein und Henzel.
Bild unten: Der Komplex Lückel – Berninger an der Ecke Limburger Straße – Am Kalkofen; vorn Lückel, dahinter Berninger, Trennlinie zwischen den Schornsteinen.
unten: Standortschema der Lederfabriken; die Zahlen korrespondieren hiermit, dem Foto unten.
Rudolph Mey:
Kam 1923 nach Idstein, arbeitete erst mit Pfaff zusammen (Idsteiner Lederfabrik Pfaff & Mey, GmbH).
Als Paff 1931 starb, machte sich Mey selbständig. Das Betriebsgelände war Ecke Dammühlenweg – Limburger Straße.
unteres Foto: links die Lederfabrik Trinkaus, rechts davon der Betrieb von Mey, später von Dr. Staudt weitergeführt.