In Idstein fanden zwei Versammlungen statt, in der Stadtkirche und im Prüfungsraum des Pädagogiums in der Obergasse.
(Ein freundlicher Hinweis von Dr. Schmidt)
Die von 1817 war eine Versammlung von Vertretern des kirchlichen Lebens, die von 1849 war weltlicher, politischer Natur.
Die Nassauische Union von 1817
Am 31. Oktober 1517 schlug Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirchentür zu Wittenberg.
300 Jahre nach dem Thesenanschlag Luthers zogen 1817 die nun im Herzogtum Nassau zusammengefassten etwa gleich großen “protestantischen Konfessionen”, Lutheraner und Reformierte, einen Schlussstrich unter die Trennung und schlossen sich zur Nassauischen Union zusammen
(von 300 000 Einwohnern waren ca. 45 % Katholiken, die Lutheraner hatten 27,3 %, die Reformierten 26,1 %).
Ab dem 5. August 1817, fünf Tage lang, verhandelten die aus allen Teilen des Herzogtums entsandten Vertreter (21 luthe- rische und 17 reformierte Synodalen) unter dem Vorsitz lbells über die Bildung einer gemeinsamen evangelisch-christlichen Kirche. Die Generalsynode war erfolgreich.
Die Idsteiner Martinskirche erhielt den Namen “Unionskirche”.
Literatur:
Christian Daniel Vogel, Archiv der nassauischen Kirchen- u. Gelehrten- geschichte (1818), 217-222
Hch. Schlosser, Schrift zur Hundertjahrfeier der Union in Nass. (1917), 79-81
Nassovia. Zeitschr. f. nassauische Gesch. u. Heimatkunde 35 (1933), 59f.
Alfred Adam, Die Nassauische Union von 1817, in: Jahrbuch der Kirchengesch. Vereinigung in Hessen u. Nassau, Bd. 1 (1949), 35-408
Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins 19 (1961), 67
Wolf-Heino Struck, Wiesbaden in der Goethezeit (1979), 152-155
Otto Renkhoff, Nassauische Biographie (2. Auflage 1992)
Der Landeskongress von 1849
Geisthardt schreibt :”Idstein geriet wieder im Jahre 1849 in das allgemeine Blickfeld, als die politischen Vereine die Durchführung eines Landeskongresses in dieser Stadt beschlossen…Der Kongress mit der darauf folgenden Verhandlung lebte weiter im Bewußtsein der nassauischen Bevölkerung, weil die Erinnerung daran durch eine umfangreiche Veröffentlichung der Verhandlungsprotokolle wachgehalten wurde.”
Ich folge hier dem Bericht von
Hofrat Dr. C. Spielmann: “Der Idsteiner Landeskongreß 1849” in: Nassovia, 21. Jahrgang, Nr. 15 vom 15. 10. 1920. (pf)
Vorgeschichte:
Das Nationalparlament in Frankfurt hatte 1849 die Deutsche Reichsverfassung beschlossen. Eine Reihe deutscher Regierungen erkannte die Verfassung an, aber Österreich zog seine Abgeordneten aus Frankfurt zurück. König Wilhelm IV. von Preußen lehnte die ihm angebotene Kaiserkrone von Deutsch- land ab. Bei den Patrioten war Bestürzung und Schmerz die Folge.
Man wollte die Reichsverfassung unter allen Umständen durchsetzten und sei es mit Waffengewalt.
Anfang Mai brach der Aufstand in Sachsen los, der nieder- geworfen wurde. In Baden und Rheinbayern gelang es besser, da das Militär zu den Aufständischen stieß. Die Regierungen antworteten damit, dass sie ihre Truppen mobil machten.
Aus Nassau rückten zwei Bataillone ab. Viele konnten sich damit nicht abfinden, dass die kaum erlangte Reichsverfassung mit Waffengewalt wieder beseitigt werden sollte. Ein Aufruf in der Wiesbadener “Freien Zeitung” lud am 5. Juni zu einem allgemeinen Landeskongress in Idstein ein.
Den Auruf hatte unter anderen der Idsteiner Justi (geb. 25. 11. 1810, gest. 31. 03. 1879 ) mitunterzeichnet. Justi war Mitglied der Nassauischen Volkskammer.
Vorgeschichte der Trennung in
Lutheraner und Reformierte
Nach dem Satz “cuius regio, eius religio” (lat.: = wessen Herrschaft, dessen Religion), 1555 nach der Reformation im Augsburger Religionsfrieden festgelegt, bestimmt die Konfession des Landesherrn die seiner Untertanen. Die altnassauischen Territorien waren protestantisch und teilten sich auf in die ottonischen Reformierten und die walramischen Lutheraner. Erst die territorialen Umwälzungen der napoleonischen Zeit haben diese Deckungsgleichheit von Staat und Konfession beendet. Für eine konfessionelle Mischung sorgte auch die Errichtung des Herzogtums Nassau, das sämtliche altnassauischen Territorien zu einem Gesamtstaat zusammenfasste. Nachdem der Wiener Kongress den Fortbestand des Herzogtums Nassau endgültig gesichert hatte, wandte sich die politische Führung verstärkt dem inneren Landesausbau zu. Neben Verwaltung, Justiz und Finanzwesen galt dabei die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse als besonders dringlich. Die staatliche Einheit sollte auch durch die Errichtung von Landes- bistümern planmäßig vollendet werden. Ein solcher Schritt erschien bei den beiden protestantischen Kirchen am leichtesten durchzuführen zu sein. Den Reformern (Ibell und Herzog Wilhelm) kam dabei zugute, dass 1817 das 300jährige Jubiläum der Reformation gefeiert wurde. Bestehende Gegensätze konnten durch Besinnung auf den gemeinsamen Ursprung leichter ausgeräumt werden, so das Kalkül. |
In Idstein
Am 9. Juni abends wurde im Gasthof “Lamm” die Geschäftsordnung festgelegt.
Am gleichen (Samstag-) Abend noch ging man zu dem evangelischen Dekan Keller und bat um Überlassung der Kirche zur Abhaltung der Versammlung. Der Geistliche weigerte sich anfangs, gab aber nach, als am anderen Morgen die Mehrzahl der Kirchenvorstandsmitglieder die Genehmigung erteilte.
“Eine Stunde nach Schluss des Vormittagsgottesdienstes, um 11½ Uhr, wurde die Versammlung feierlich eröffnet.
Die Kirche war bis zum letzten Platz gefüllt, die Tribüne der Redner erschien mit rotem Tuch ausgeschlagen…Nach zwei Stunden wurde die Versammlung unterbrochen, um den Nachmittagsgottesdienst nicht zu stören; erst um 3¼ begannen die Verhandlungen wieder und wurden – zugleich der Kongreß um 5¼ geschlossen.”
Versammlungspräsident Rath begründete die Notwendigkeit des Kongresses mit der Not des Vaterlandes. In der Diskussion sprachen besonders:
– Schapper, Sprachlehrer und Korrektor: Es müsse gedroht werden, notfalls Gewalt mit Gewalt zu erwidern.
– Dr. Meyer drückte sich noch maßloser aus, gebrauchte gegen die deutschen Fürsten, insbesondere den König und den Prinzen von Preußen bekannte und “damals gäng und gäbe” erscheinende Unnamen.
– Pfarrer Snell polemisierte heftig gegen die Verwendung nassauischer Truppen.
– Akzessist Müller wandte sich gegen die Regierung (nicht den Herzog), die allem Fortschritt entgegen sei.
Es gelangte ein zehn Punkte fassendes Programm zur Annahme.
Zur Durchführung der gefassten Beschlüsse wählte die Versammlung einen Landesausschuss von sieben Männern:
Raht, Hehner, Justi, Lang, Müller, Snell und Wenckenbach, sämtlich Volksabgeordnete.
Dazu kam eine Deputation mit 56 Mitgliedern, zwei aus jedem Amt.
Hinterher
Dieser Landesausschuss überreichte dem Herzog die Forderungen am 11. Juni im Audienzsaale des Biebricher Schlosses.
Der Herzog “ließ die Deputation ungnädig an” und verwies an das Ministerium.
Dieses gab am 12. Juni im Verordnungsblatte bekannt, dass in den Forderungen zugleich mit früheren Eingaben von 30 Gemeinden die Aufforderung zum Bruche der Landesverfassung liege. Man werde mit allen Mitteln die anarchistischen (!) Bestrebungen unterdrücken!
Der Bericht über den Empfang der Delegation wurde über Flugblätter bekanntgegeben. Die sieben (außer Hehner) verfassten ein Flugblatt mit einem “Aufruf an das nassauische Volk”, in dem unter anderem von Steuerverweigerung geredet wurde.
“Die Regierung geriet in einen grimmen Zorn. Sans façon wurden bereits unter dem 16. Juni der Hof= und Apellationsgerichtspräsident Rath, der Landesoberschultheiß Wenckenbach und der Akzessist Müller ihres Amtes entlassen; Amtssekretär Hehner und Pfarrer Snell wurden später suspendiert, Sprachlehrer Schapper wurde ins Kriminalgefängnis gesetzt…”
Nachdem im Badischen alles im Sinne der alten Obrigkeit “geklärt” worden war – zum Schluss war die Festung Rastatt gefallen, die Aufständischen vertrieben oder unter das Standrecht gefallen- ging man nun auch in Nassau gegen die “Hochverräter” vor.
(siehe auch hier)