Der Große Feldberg als Versammlungsort
Bergturnfeste in Hessen
„In ewiger Schöne thront der alte Hüter des Taunus in der heimatlichen Landschaft“ schreibt Max Kirmsse 1937 in der Idsteiner Zeitung.
Seine Artikelfolge hat er mit „Der Feldberg, die Wiege der deutschen Wanderbewegung“ überschrieben.
Eine frühe Besiedlung des Gebirges läßt sich mit dem Ringwall auf dem nahen Altkönig belegen.
Als dann von Westen her die Römer anrückten, gründeten sie limesnah ihr Kastell zwischen Kleinem und Großem Feldberg und nutzten das Wasser der Weilquelle.
1043 wird urkundlich Erzbischof Bardo von Mainz als Gebieter genannt. In derselben Urkunde taucht auch der Begriff „lectulus Brunhildae“ auf, also „Bett der Brunhilde“; die ganze Kuppe wird als „veltperg“ bezeichnet.
Ob der Name von dem feldartigen Aussehen der Höhe oder von „valti“, der Falte zwischen Kl. und Gr. Feldberg abgeleitet wird, sei dahingestellt.
1526 Der Oberurseler Schulmeister Erasmus Alberus, einst auch ein Schüler Luthers gewesen, besteigt 26jährig den Feldberg. In einer seiner Reimgeschichten schreibt er:
„daher der waldt ist also sehr zerhawen, das er nimmermehr sich kann erholen,
das ist doch schand, das man kein Ordnung hellt im land„.
Seitdem scheint es dort oben kahl zu sein.
1649 zieht von Kronberg aus Johann Justus Winckelmann zum Hochlande, meint, auf dem höchsten Berg Deutschlands gewesen zu sein und schreibt von einem
„wunderschönen Prospekt,indem man vermeint,als ob Himmel und Erde in einer Zirkelrunde wunderschön in eins geformet und gebildet sei„.
Goethe war mit 14 Jahren erstmals „oben“; der Große Feldberg hatte, so schreibt er,
„von Kindheit an so fern und ernsthaft vor mir gestanden„.
1780 erscheint „Nachricht von den Althertümern …..und auf dem Gebürge bey Homburg vor der Höhe*“ von Elias Neuhof. Darin werden erstmals wissenschaftliche Betrachtungen mitgeteilt.
(*“Höhe“ war die alte Bezeichnung für Taunus;“Taunus“ kommt von keltisch „dun“ := die Höhe, der Hügel.)
Pfarrer Christ aus Rodheim vor der Höhe, die Autorität der Obstbaumzucht in Nassau, übernachtet sogar auf dem Feldberg.
Diese Tat der Abhärtung in 880 Meter Höhe läßt erstmals den Wunsch nach einer Unterkunft wach werden.
1807 wird berichtet, daß Idsteiner Schüler auf den Feldberg gereist waren; genannt wird Karl Philipp Henrich.
1813 versammelt sich erstmals einen größere Menge dort droben, um den Willen nach Freiheit zu bekunden; wenig später wird der Unterdrücker der deutschen Lande, Napoleon, besiegt.
1814 Am 18.10. unternimmt Ernst Moritz Arndt es, das erste Fest der freien Deutschen zu feiern. Tausende ziehen vom Main und aus dem Taunus zur Höhe. Arndt hält eine prächtige Rede auf dem Brunhildisfelsen und ist beglückt:
„Es war einer der schönsten Abende meines Lebens, als ich unter mehreren tausenden fröhlichen Menschen auf dem Gipfel des Feldbergs stand und den Himmel ringsum in der Nähe und Ferne von mehr als 500 Feuern gerötet sah.
Das ist aber allen Deutschen der fröhliche Bote geworden. Und vor allem aber, daß er die Herzen der Deutschen vor dem Kleinen und Einzelnen, wodurch wir nicht bestehen können, auf das Große und Gemeinsame richte, wodurch wir ein Volk sind und allein ein Volk bleiben können!„
1817 Die Hanauer Turner wandern „hoch“ (1.Turnfahrt).
1826 Wieder sind die Hanauer, diesmal mit den Offenbacher Turnern zusammen auf ihrer 2.Turnfahrt auf dem Feldberg.
1827 veranstaltet Adolf Spieß, der frühverstorbene Turnführer aus Offenbach, Turnspiele mit den Jungturnern am Brunhildisfelsen.
1828 Die Frankfurter Senckenbergische Gesellschaft richtet eine Wetterstelle in. Kurioserweise
war ihr schon die „Königlich Schottische Gesellschaft für Meteorologie“ zuvorgekommen!
1842 Der Frankfurter Turnvater Ravenstein verbindet sich mit dem Usinger Emminghaus und weiteren Mannen und gründet eine „Kommission für die Erbauung eines Hauses auf dem Feldberg“.
Geschickt werden Turner und Sänger auch für diese Idee gewonnen:
1844 Ein Aufruf bittet am 10. 6. darum, daß sich alle Sänger, Turner und wahren Volksfreunde am 23. Juni zu einem „gemeinschaftlichen Gebirgsausflug und Besuch des Feldbergs vereinigen„.
6000 Menschen folgen der Einladung, darunter 200 Turner. Musik und Chorgesang eröffnen das Fest; nach einer ersten Rede singt die Jugend beider Reifenberg, worauf Ravenstein den historischen Felsen besteigt. In seiner Rede nimmt er Bezug auf die Turnerei:
„Denn freier schlägt das Herz auf freier Bergeshöhe,
Und frischer strömt des Lebens Quell in jedem Glied,
Und frommer schwingt der Geist sich auf zu heil’ger Gottesnähe,
Und fröhlicher ertönt ein frohes deutsches Lied!“
Nach Ravensteins Rede beginnen die Turner der Hanauer Turngesellschaft unter August Schärttner mit den turnerischen Vorführungen.
Den Anfang macht der Kreis=Schneckenaufmarsch, dem das Steinstoßen der Geübten folgte; hieran reihten sich das Ziehringen als Massenkampf, ferner sechs von je acht Turnern gleichzeitig ausgeführte Ringelmühlen und schließlich Freiübungen.
Mit fünf gleichzeitig aufgestellten Pyramiden und einem „Lebehoch“ endigte das Gebotene.
Mit klingendem Spiel ging es dann den Berg hinunter.
Der Dichter Ferdinand Freiligrath, der gern gekommen war, äußerte sich freudig über das Fest. Alle, die den Tag erlebt hatten, nahmen die Idee eines ständigen Feldbergfestes voll freudiger Zustimmung auf.
In der „Frankfurter Postzeitung“ veröffentlicht einen „Weckruf“,dessen letzte Strophe lautet:
„Auf ihr Turner, ringet fort
In der Heimat Gauen!
Und des Sängers freies Wort
Schalle durch die Auen!
Deutscher Frühlingsonne weicht
Auch die letzte Wolke
Und kein Volk der Erde gleicht
Dann dem deutschen Volke!„
Wie bekannt, folgten die Idsteiner diesem Aufruf, bevor er überhaupt erschienen war!
1845 Das 2. Feldbergfest ist ein reines Turnfest, der Bau des Schutzhauses wird nicht einmal mehr erwähnt. 350 Knaben und 50 ältere Turner beteiligen sich, gekommen sind aber 8000 Besucher!
1846 sind 10.000 Menschen gekommen, darunter 600 Sänger und Turner aus 15 Vereinen.
Ravenstein stellt u.a. die Idsteiner als neue Turngemeinde vor.
1847 Beim 4. Fest auf dem Berge sind wegen der ungünstigen Witterung „nur“ 4000 bis 5000 Freunde anwesend.
Das erste geregelte Preisturnen fand statt, jeder Unbescholtene konnte sich beteiligen, auch wenn er nicht Vereinsangehöriger ist. Bedauerlicherweise fehlten ab diesem Jahr die Hanauer, was durch deren politische Einstellung bedingt war.
1848 Das 5. Feldbergturnfest sieht 10.000 Besucher; Turner, Sänger, Schützengesellschaften und Bürgerwehren traten in wohlgeordneten Zügen auf und trugen neben dem allgemeinen turnerischen Wettkampf auch ein Preisschießen aus.
Jahn, mit dessen Erscheinen Ravenstein gerechnet hatte, erschien nicht.
Jahn war am ersten Hanauer Turntag stürmisch gefeiert, beim zweiten aber schwer enttäuscht worden, da ihm August Schärttner von Hanau die Begrüßung verweigerte.
Dazwischen lag Jahns Eintreten für eine Monarchie mit Volksvertretung und seine Ablehnung republikanisch- -radikaler Turner.
Diese Einstellung wurde erst bei seinem Auftreten im Paulskirchenparlament bekannt.
Fünf Tage nach dem Turnfest auf dem Feldberg schreibt er an die Limburger Turner:
„Ein Roter werde ich nicht. Meine Gesinnung gebe ich nicht auf – aber, um niemand hinderlich zu sein, allen Verkehr mit den Turngemeinden, den gebe ich verloren...“
1849 Das Turnfest wird auf dem Fuchstanz, einer kleinen Fläche zwischen Feldberg und Altkönig, durchgeführt, da der Landgraf von Hessen-Homburg, dem ein Teil der Feldbergkuppe gehörte, das Fest auf seinem Gebiet verbat (bekanntlich war die Feldbergspitze ja “dreiherrisch”, ein „Dreiländereck“: Nassau, Frankfurt und Hessen-Homburg).
1850 beschloß der Feldbergfestausschuß, statt (ortsgebundenener) Bergfeste „wandernde Volksfeste“ zu veranstalten.
Das geplante Fest auf dem Wiesbadener Neroberg wird verboten.
Nun wird ein Gebirgsausflug nach dem Feldberge ins Aug‘ gefaßt, doch der homburgische Landgraf trommelt mit Müh‘ und Not 100 Mann zusammen, die für ihre Büchsen sogar 40 Schuß scharfe Munition bekommen.
Erst sind 200 Menschen droben, die sich hin und her bewegen, also nicht zusammenrotten; darunter sind die Soldaten mit gespanntem Hahnen. Verkäufer von Bier, Wurst, Kaffee und Obst werden vom Kommandanten auf nassauisches Gebiet vertrieben.
Als nun gar keine Anzeichen von Unruhen zu erkennen sind, gestattet dieser die „freie Circulation“ der Taunusfreunde.
Um 11 Uhr kommen die Frankfurter und Offenbacher, von Hörnerschall angekündigt. Das Homburger Gebiet wird nun vollständig geräumt, eine Bewachungslinie wird gebildet, um die Turner zu empfangen.
Die lassen sich’s auf nassauischem Gebiete gut gehen und schmettern kräftig ihre Turnerlieder. Abends, nichts Ungehöriges war von den „bösen Menschen im leinenen Kleide“ ausgegangen, bringen die Bewaffneten ihre „Hahnen wieder zur Ruhe“ und gehen nach Haus; der Landgraf von Homburg hat außer dem Spott des Frankfurter Friedrich Stoltze nichts geerntet.
1851 soll das Fest auf dem Schrenzer bei Butzbach durchgeführt werden, doch auch im Großherzogtum Hessen wurde die Veranstaltung untersagt.
Die Reaktion auf die 48er Unruhen machte sich nun überall bemerkbar.
Turner waren verdächtig, wieder einmal.
1854 sind nur zwei Turner „oben“, dafür aber fünf nassauische Gendarmen! Bis zum Jahr
1860 wird kein Fest mehr gehalten, wohl aber – meist am ersten Sonntag des Juli – Wanderungen zum „Turnerberg“.
1860 Das 9. Feldbergfest findet am 15.Juli statt; am 12. August wird das Feldberghaus eingeweiht.
Mit diesem Fest schließt auch der erste Abschnitt äußerer und innerer Entwicklung der Feldbergfeste, denn vom Jahr 1861 an tritt eine grundlegende Änderung ein.
Wilhelm Wollenberg schreibt in seiner Schrift zum 75.Jubiläum des Feldbergfestes:
„Bis dahin war die Kommision zur Erbauung eines Hauses auf dem Feldberg verantwortlich für das Fest. Selbst da, wo die persönliche Leitung ausschließlich in den Händen der Turner liegt, bleibt als oberste Festbehörde, wenn man sie so nennen kann, die Kommission bestimmend.
All das wurde mit dem 10. Fest anders. Die Volksfeste hatten ihren Zweck erreicht – auf dem Gipfel stand das ersehnte Haus – damit hatte auch die Arbeit der Kommission ihr Ende erreicht.
Es lag kein Grund vor, sie weiter bestehen zu lassen.„
Dennoch ging es -anders- weiter:
Nach Ravensteins Vorstellung wird ein Feldbergfestausschuß gegründet, der von nun an die Turnfeste vorbereitet. Ravenstein ist auf eigenen Wunsch nicht mehr dabei.
1860 war in Coburg die Einheit der Turnbewegung mit Gründung der Deutschen Turnerschaft Wirklichkeit geworden; die Satzung gab man sich 1868.
Dieser Verband war die Form für das, was schon lange als Inhalt auf dem Großen Feldberg vorgelebt wurde: Überregionales Turnen.
Der Feldberg hatte ja lange vor Gau, Kreis, Bezirk und Bereich als Institution Alle angezogen.
Ohne Rücksicht auf Landesgrenzen verwirklichte man hier schon den großen Bund der Turner, selbst der kleinliche Landgraf von Hessen-Homburg als Mitbesitzer des „dreiherrischen“ Feldbergs diente als Beispiel dafür, wie eben nicht ein einig‘ Vaterland auszusehen habe.
Das Feldbergfest sprengte den Alltag, das Fest der Turner war auch das Fest des Volkes.
Wieder einmal, wie zur Zeit der napoleonischen Kriege, war es etwas besonderes, Turner zu sein.
Die Feste der süd- und westdeutschen Turner (die in den 30er und den 40er Jahren führend in der Turnerei waren) galten aber nie allein der Turnerei, sie waren häufig Feste für das einige deutsche Vaterland.
Der Feldberg war ein Berg, der Berg der Turner, nicht der Berg dreier Herren.
In der Doktorarbeit von Paul Meß („Das Feldbergturnfest“, Marburg 1958) heißt es:
„Das Fest wurde zum Symbol der deutschen und turnerischen Einheitsbestrebungen.
Immer wieder war es das Feldbergfest, das seine Turner zusammenkommen ließ und Gelegenheit zur Sammlung und Einigung gab.
Während man sich in vielen Vereinen spaltete und befehdete, während oft die Turner mißbraucht wurden zu politischen Handlungen, während die Regierungen gegen die Turnvereine Auflösungsbefehle erließen, während man 1848 in Hanau und später in Eisenach vergeblich versuchte, eine Einigung der Turner herbeizuführen, da bestand der Feldberg mit seinen Feiern, Festen und Fahrten als einzige Stelle in Deutschland, welche die Turner vereinte und einen regen Verkehr untereinander ermöglichte.
Das ganze Volk sollte gewonnen werden. Deshalb konnte sich auch jeder unbescholtene deutsche Mann am Wettkampf beteiligen.
Daher nahmen auch Gesangvereine, Schützenvereine, Wanderer, Schulen, Bürgerwehren, Militärkapellen und Studenten am Feldbergfest teil.
Von weit her kamen oft die Turner. Das Turnen, die Wanderung, das gemeinsame Lied, das Nachtlager, das Naturerlebnis, der Wettkampf und das Auftreten mit den Fahnen, alles wurde zum gemeinsamen Erlebnis.„
Darüber hinaus gab das Fest Anlaß zu Vereinsgründungen und zur Bildung von überregionalen Zusammenschlüssen; auf dem Feldberg wurde auch das Bewertungssystem für erbrachte Leistungen „geboren“.
Nicht zuletzt war das Feldbergturnfest auch die „Mutter“ vieler anderer Bergfeste im Hessenland (siehe die beigefügte Karte unten, die aus Franz Wilhelm Becks Broschüre „Bergturnfeste im Hessenland“ stammt).
2004/2005
Eine Meldung der Leichtathletikabteilung:
Gute Tradition ist ebenso die Teilnahme am Feldbergfest, das man als Wiege des TV Idstein bezeichnen kann. Hier errang unsere Männermannschaft 2005 erstmalig den Sieg im Wettstreit um das Völsungenhorn(Bild oben). Das Bild der Siegermannschaft war nicht nur unserer Vereinszeitung, sondern auch der Zeitung des Hessischen Turnverbandes, die Titelseite der Novemberausgabe wert.