Neue Hospital-Commision

Etwas kompliziert für historisch weniger Bewanderte stellen sich die Eigentumsrechte am Hospitalfonds im vorigen Jahrhundert dar. Die Kirche war, so Karl Heinz Schmidt (10), zwar Eigentümer des Fonds, Besitzer und Verwalter jedoch die “Armenkommission”, die auf Grund des Nassauischen Armenedikts vom 19. Oktober 1816 – wie allgemein im 1806 entstandenen Herzogtum Nassau – auch im Amt Idstein und bei dem Amtmann etabliert wurde. Man folgte damit nicht dem Beispiel Preußens, wo bereits 1748 mit Edikt eine Verbindung weltlicher und geistlicher Behörden bei der Verwaltung der von Pfarrern und Ortsobrigkeiten gebildeten Armenkassen vorgeschrieben wurde, sondern schaltete die Geistlichkeit weitgehend aus.

Im Herzogtum Nassau bemühte sich Karl Friedrich von Ibell, Präsident der Nassauischen Regierung (übrigens ein ehemaliger Idsteiner Gymnasiast), seit 1809 um eine landeseinheitliche Regelung der Armenfürsorge. Für die Historie der Krankenpflege in Idstein ist von Bedeutung, daß Armenkommission und -pfleger sowohl die Armeneinrichtungen und Waisenversorgungsanstalten als auch die mit der Betreuung der armen Kranken beauftragten Medizinalbeamten kontrollierten. Die Armenpfleger waren in den Gemeinden unmittelbar und ebenfalls ehrenamtlich tätig. Das mangelnde Engagement der Bürger zur Mitarbeit in tätiger Nächstenliebe führte allerdings dazu, daß Schultheißen, Lehrer sowie die Pfarrer als örtliche Armenpfleger fungierten (33 A).

Noch vier Jahrzehnte nach Erlaß des Armenedikts beklagte Dekan Keller die dadurch bewirkte Veränderung der Zuständigkeit für den Idsteiner Hospitalfonds mit bewegten Worten: “Wie haben sich doch die Zeiten geändert! Milde Fonds, welche in den Händen der Geistlichkeit eine umsichtige und treue Verwaltung und Beaufsichtigung fanden, sind in dem Grade denselben entzogen worden, daß ein Geistlicher schon lange in Idstein fungieren kann, ohne nur etwas von dem Dasein eines Hospitals gehört zu haben. Diese veränderten Verwaltungsmaßregeln sind aber gewiß nicht zum Segen dieser milden Stiftungen eingeführt worden” (8).

Diese Klage erscheint freilich recht polemisch. Wie sollte ein Pfarrer “schon lange” in einer Stadt mit (im Jahre 1825) ganzen 1894 Einwohnern tätig sein, ohne zu wissen, daß es ein Hospital gab, das, wie Meldungen im “Amts-Blatt” belegen, immer noch als solches genutzt wurde? Spätestens bei Beerdigungen der im Hospital gestorbenen Personen (34) mußte der Pfarrer von dessen Existenz erfahren. So ist die Klage denn auch eher ein Anzeichen dafür, daß der Schnitt, den das Armenedikt gebracht hat, noch nicht verheilt war.

Mit dem Untergang des Herzogtums Nassau und der Eingliederung in das Königreich Preußen 1866 war das Armenwesen erneut an geänderte Strukturen anzupassen. Die nachhaltigste Veränderung erfuhr die bisher geübte Armen-“Fürsorge” durch die Sozialgesetzgebung Bismarcks für das 1871 gegründete Deutsche Reich (Kranken- 1883, Unfall- 1884, Invaliditäts- und Altersversicherung 1889). Dadurch wurden die bisher für die Armenfürsorge angesammelten milden Fonds nicht mehr für diese Zwecke gebraucht; Überlegung für die anderweitige Verwendung der Mittel konnten angestellt werden.

So auch in Idstein. Hier wurde am 1. April 1889 eine Hospital-Commission gegründet, wie Dr. Schmidt vermutet (10) “wohl in Erinnerung an die bei den alten nassauischen Ämtern bestehenden Armenkommissionen und wohl auch mit einem gewissen begehrlichen Blick auf das im Hospitalfonds angesammelte Kapital”. Den Vorsitz hatte Bürgermeister Wilhelm Leichtfuß. Ihr gehörten Dr. Gustav Justi (der Arzt hatte den gleichen Vornamen wie sein Vater, nach dem im östlichen Neubaugebiet Idsteins eine Straße benannt ist) als Hospitalarzt, die Gemeinderäthe Carl Schacht und Theodor Greuling sowie der Gemeindebürger H. Weber als Beisitzer an. Ihre erste Sitzung hielt sie laut erhaltenem Protokoll-Buch (35) am 16. April 1889.

Schon in dieser Sitzung beschloß man, sich bei der “Königlichen Regierung” darum zu bemühen, “daß das Hospital und dessen Fonds der hiesigen Gemeinde als Eigenthum überwiesen wird”. Im Protokoll ist nicht angegeben, ob sich der Antrag an den Regierungs-Präsident in Wiesbaden oder die Regierung in Berlin richtete. Die letzte Entscheidung lag jedoch, wie noch aufzuzeigen ist, bei “Sr. Majestät dem König” von Preußen.

Aufschlußreich ist, daß in der gleichen ersten Sitzung vom “bisherigen Vorsitzenden des Hospitals, Herrn Dr. Justi, sämtliche dem Hospital zugehörigen Werthpapiere… an die Commission ausgehändigt” wurden, und zwar neben einem “Nassauischen Sparkassenbuch über 901 Mark 35 Pfg” sieben Hypotheken im Gesamtwert von 606 Gulden, 1816 Thalern und 950 Mark sowie dreizehn Schuldverschreibungen der Nassauischen Landesbank von insgesamt 8000 Mark. “Es ist gut möglich”, so Dr. Schmidt (10), daß der 1840 geborene “Dr. Justi das letzte Mitglied der vormaligen nassauischen Armenkommission war, die sich ehemals aus dem Amtmann, dem Landesoberschultheiß, Rechnungsführer und Sekretär als ständigen Mitgliedern zusammengesetzt hatte, von denen … nur noch Dr. Justi übriggeblieben war. Deshalb konnte er auch, in Abwicklung eines etwa 25 Jahre alten Mandats, die Wertpapiere der neugegründeten Commission… aushändigen”.

Die Hospital-Commission war nun zwar im Besitz des Fonds, aber weder sie noch die Stadt waren Eigentümer. Sie betrieb zwar die Interessen der Gemeinde, war jedoch kein Gremium der städtischen Körperschaften, wenngleich der Bürgermeister den Vorsitz innenhatte. Er war zu gleicher Zeit auch noch Kirchenvorsteher sowie Mitglied der kirchlichen Kreis- und Bezirkssynode.

Vorsorglich unterschied er deutlich, wie Verlautbarungen belegen (36), zwischen den Ämtern des Bürgermeisters und des Commissions-Vorsitzenden. Auch bei der Veröffentlichung der kommunalen Commissionen (1896 und 1900 waren es je sechs, die von den Stadtverordneten gewählt wurden), war die Hospital-Commission demgemäß nicht aufgeführt (37).

Die Commission bearbeitete unterdessen alle das Hospital betreffenden Aufgaben. Ihr oblagen die Entscheidungen über das Hospital betreffende interne Maßnahmen und die Vergabe von Hypotheken aus dem Fonds, während Themen der Art, wie sie etwa zum Bau des Krankenhauses führten, Sache der Stadtverordneten waren. So wurde auch nicht die Stadt, sondern die Hospital-Commission, die – wie aufgezeigt – den entsprechenden Antrag gestellt hatte, von der Ablehnung unterrichtet, denn der erste belegte Vorstoß zur Änderung der Eigentumsverhältnisse (35) führte nicht zum Erfolg, wie in der Sitzung der Commission am 9. August 1889 bekannt wurde. “Die Überweisung des Hospitals und dessen Fonds als Eigenthum an die Gemeinde Idstein wurde auf Grund älterer bei Königlicher Regierung festgelegter Schriftstücke abgelehnt”