Probleme mit den Finanzen

In der auf den Aufzeichnungen des Dekans Keller beruhenden Stellungnahme des ev. Kirchenvorstandes von 1903 (9) wird geschildert, wie mühsam sich die Finanzierung des Hospitals, bzw. des das Hospital und die Armenpflege tragenden Hospitalfonds vollzog: “Da die Mittel gering waren, wurden in der Zeit vor dem 30jährigen Krieg Almosen in der Stadt gesammelt, welche man teils verteilte, teils als ,Hospitalkreuzer’ zur Anlegung kleiner Kapitalien benützte. Dies geschah durch die ev. Geistlichkeit und wurde auch nach dem großen Krieg wieder frisch in Angriff genommen. Das Haus war freilich verschwunden, die Capitalien ziemlich aufgezehrt.”

Etwas detaillierter ist Dekan Keller: “Dem Spitalmeister wurden zwei Kühe auf Kosten der Präsenz angeschafft, um den Kranken Milch zu verabreichen, das Brot wurde von dem Präsenzmeister geliefert und sollte der Spitalmeister wohltätige Leute ansprechen, um den Armen im Hospital Speise zu verabreichen. Unter den Stürmen des dreißigjährigen Krieges scheint die Wohnung verschwunden zu sein, denn wir finden später den Hospitalwärter im eigenen Haus wohnen und die wenigen Kranken auf Kosten des kleinen Fonds und der erhobenen Almosen zu verpflegen. Der Hospitalwärter hatte nämlich die Verpflichtung, neben der Almosenbüchse auch die Hospitalbüchse wöchentlich herumzutragen. Der dabei gesammelte geringe Betrag von ca. einem Gulden wurde an den Superintendenten abgeliefert, der dann die erhaltenen Almosen in der Kirche bei den Mittwochspredigten verteilte, die Hospitalkreuzer aber zur Anlegung kleinerer Kapitalien verwendete.” (8)
Aufschlußreich ist die Instruktion, die der von 1716 bis zu seinem Tod 1756 in Idstein amtierende Superintendent D Johann Christian Lange dem Hospitalwärter, Bürger und Leinenweber Zacharias Zeitzbeck zugehen ließ, (8) “daß er sein Amt, seinen Pflichten gemäß, treu und fleißig verwalten, seinen Vorgesetzten den gebührenden Respekt und Gehorsam leisten, ohne Vorwissen des Ministerii (Behörde, der der Superintendent vorstand) und des Stadtgerichtes niemanden ins Hospital aufnehmen, die Aufgenommenen nicht länger als nach der gegebenen Erlaubnis behalten, noch sich durch Gaben und Geschenke corrumptieren und bestechen lassen, sondern den Kranken nebst seiner Frau treulich und fleißig aufwarten, auch die Unvermögenden und Gebrechlichen auf seine Kosten zeitig durch Bettelabfuhren bis auf das erste Dorf fortschaffen, weniger nicht die Almosen nach gegebener Anweisung sammeln, liefern und verwahren, mithin weder durch Faulheit und Untreue etwas versäumen und sich dergestalt führen und bezeugen wolle, wie es einem treuen Hospitalwärter und Almosenheber gebühret, dagegen er benebst der hergebrachten Personalfreiheit zu empfangen und zu genießen habe 12 Malter Korn, 1 Malter Hafer, 2 Simmer Gerste, 5 Simmer Weizen, 2 Fuder Roggenstroh und wöchentlich 15 Kreuzer an Geld wie auch ein Simmer Holz, nebst einem Garten und einer Wiese.”

(Anmerkungen: “Bettelabfuhren” (10): man brachte die Kranken usw. bis zum nächsten Dorf, damit man nur für einen Tag Kost- und Logiergeld-Unkosten hatte. Ein rohes Verfahren! “Malter”: früheres deutsches Getreidemaß unterschiedlicher Größe; nach O. Renkhoff “Wiesbaden im Mittelalter” (32) war in Wiesbaden (und damit wohl auch in den Herrschaften Wiesbaden und Idstein der Grafschaft Nassau-Idstein) ein Malter Korn etwa 85 Kilogramm, ein Malter Hafer etwa 60 Kilogramm, ein “Simmer”, früheres Hohlmaß, 1/12 Malter. “Fuder”: Ladung eines zweispännigen Wagens).

“Die größeren Pläne”, die Superintendent D. Johann Christian Lange 1727 “in Bezug auf die Armenpflege hegte, konnten wegen mangelnder Mittel nicht zur Ausführung kommen” (9). “Was da geplant war, wird nicht näher erläutert” (10). “Um das Hospital in die Höhe zu bringen, trug Dr. Lange im Jahre 1744 darauf an, daß aus dem Heftricher Kloster- oder Nonnen-Wald eine Extrafällung verfügt werden möchte, deren Erlös ,ad pias causa’ (zu frommen Zwecken; Bezeichnung für Widmungen oder Stiftungen an die Kirche oder kirchliche Institute) verwendet werden könne (8,9). So geschah es, und der Erlös floß in den Hospitalfonds.

Vom Plan, ein Haus zu mieten und zum Hospital einzurichten, ging man ab, als sich die günstige Gelegenheit bot, das Haus des Leiendeckers (Dachdecker; Leien = Tonschiefer), Gerichtsverwandten und Kirchenseniors Heinrich Becker auf der Kreuzgasse (heute nach Mitteilung von Renate Herden Haus Nr. 9)  für den geringen Preis von 430 fl (Florin = Gulden) zur Nutzung als Hospital anzukaufen. So führte das Bemühen von Dr. Lange doch noch zu einem späten Erfolg. Der im Hospital die Aufsicht führende Hospitalwärter wurde auf Vorschlag von Superintendent, Consitorialconvent und Stadtgericht vom Fürsten Karl von Nassau-Usingen im Amt bestätigt (8,9).    

Der Hospitalwärter war Untergebener des Superintendenten, hatte in der Stadt, in der Kirche bei Gottesdiensten und Heiraten, Fürbitten etc. die Almosen zu sammeln, von denen ein Teil als Hospitalfonds angelegt wurde. Ebenso wurde der Hospitalfonds aus dem Präsenzfonds, dem damaligen evangelischen  Centralkirchenfonds für die Herrschaft Idstein gespeist. Im Jahr 1748, als die Holzfällungen beendet waren, betrug der Kapitalstock 2500 fl. Durch die Beisteuer des oben genannten kirchlichen Fonds, in welchen auch die Collektengelder der übrigen Kirchengemeinden der Grafschaft Idstein flossen, ist der Kapitalstock nach und nach noch etwas angewachsen (9). Er warf eine “jährliche Rente von 125 Gulden” ab (8), die wohl auf Ausleihen des Kapitals und andere Anlagen basieren. Die Ausleihen waren lange Zeit selbstverständlich; seit Beginn des “Kreis-Amts-Blattes” (33) waren immer wieder entsprechende Angebote zu lesen, unter anderem vom Usinger Hospitalfonds, aber auch von Armen-, Schul-, Kirchen- oder Pfarrfonds aus der gesamten Umgebung von Adolphseck bis Vockenhausen.